Foto (bearbeitet): "A couple of red traffic lights against a blue sky" von Horia Varlan/ cc-Lizenz by 2.0: flickr
Meditieren heißt nicht, dass man immer dreißig Minuten bewegungslos auf einem Kissen sitzen muss. In christlichen und buddhistischen Klöstern, bei Meditationskursen und Retreats erklingt immer wieder eine Glocke. Sie erinnert die Übenden daran, kurz innezuhalten, auf den Atem zu achten und sich bewusst zu werden, was sie tun. Aber die meisten von uns leben außerhalb von Klöstern und Retreats machen nur einen kleinen Teil unserer Zeit aus. Trotzdem können auch wir die Glocke hören und innehalten, indem wir die alltäglichen Geräusche und Begebenheiten um uns herum zu einer Glocke der Achtsamkeit machen.
Thich Nhat Hanh empfiehlt uns, immer wieder innezuhalten und einen kleinen Vers zu sprechen, der uns in Kontakt mit uns selbst bringt: „Lausche, lausche, dieser wunderbare Klang bringt mich zum gegenwärtigen Moment zurück.“
Lausche, Lausche...
Lange Zeit haben mich die Tauben auf unserem Dach ziemlich geärgert. Das ständige Gurren, vor allem früh am Morgen, wenn ich schlafen wollte, störte mich sehr. Nachdem ich einige Zeit geübt habe, das Gurren der Tauben als Glocke der Achtsamkeit anzusehen, hat sich der Klang verwandelt. Der Ärger ist verschwunden. Ich kann mich an den Tauben freuen.
Mit dem Heulen der Mopeds auf der Straße geht es mir ähnlich. Ich übe auch da zu sagen: „Lausche, lausche, dieser wunderbare Klang bringt mich zum gegenwärtigen Moment zurück.“ Es funktioniert! Wenn ich an eine rote Ampel komme, warte ich nicht mehr ärgerlich oder ungeduldig, bis es grün wird. Ich habe mir angewöhnt zu sagen: „Einatmend schenke ich meinem Körper Ruhe. – Ausatmend lächle ich meinem Körper zu.“ Die rote Ampel ist tatsächlich auch zu einer Glocke der Achtsamkeit geworden, für die ich dankbar bin und die mir, ganz ohne Anstrengung, die Möglichkeit schenkt, Stress und Hektik hinter mir zu lassen und einen Moment der Muße und des Glücks zu erleben.
Bewusste Wahrnehmung anstatt rosaroter Zuckerguss
Jetzt übe ich auch mit dem Hundedreck, über den ich mich beim Gehen aufrege. „Schaue, schaue, dieser wunderbare Hundedreck bringt mich zu meinem wahren Selbst zurück.“ Das braucht noch Übung. Aber ich gewinne das Vertrauen, dass ich die Erfahrungen im Alltag transformieren kann, wenn ich sie nicht bekämpfe, sondern als Glocke der Achtsamkeit ansehe, für die ich dankbar sein kann: das Läuten des Telefons oder der Türglocke, das Warten am Computer, bis er hochgefahren ist.
Möglicherweise hört sich das für manchen an, als würden wir damit die schwierigen Erfahrungen des Lebens mit Zuckerguss zukleistern. Das kann tatsächlich eine Gefahr sein. Aber nur dann, wenn wir Achtsamkeit ersetzen durch ein „Programm“, eine „positive Konditionierung“. Darum geht es aber nicht. Wenn ich wütend bin, geht es darum, meine Wut wahrzunehmen und ihr zuzulächeln, sie zu umarmen, nicht sie mit rosarotem Zuckerguss zu übertünchen.
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In humorvoller Art und Weise weist uns Ulrich Pfeifer-Schaupp darauf hin, wie alltägliche Gegebenheiten und Geräusche, die in uns normalerweise vielleicht sogar Ärger hervorrufen könnten, als Glocken der Achtsamkeit dienen können. Selbst Hundedreck, gurrende Tauben, rote Ampeln oder heulende Mopeds können uns zum gegenwärtigen Moment und uns selbst zurückbringen. Dieser Artikel entstammt dem Buch „Achtsamkeit in der Kunst des (Nicht) Helfens“, das Pfeifer-Schaupp (nicht nur) für Menschen geschrieben hat, die in sozialen Berufen tätig sind.
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